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DAS LEBEN DANACH

JFW 17 THEMA

Geleitwort

 

Wie kann das Leben nach dem Grauen der Schoah neu beginnen? Was geschieht unmittelbar nach der Befreiung durch die Alliierten im Jahr 1945? Welche Nachwirkungen haben die Geschehnisse später und bis heute? Wie ergeht es den Menschen mit ihrem Neuanfang wirklich?

 

In Europa sind Familien auseinandergerissen, Hunderttausende werden obdachlos, Güter sind knapp, Städte müssen wieder aufgebaut werden - man bemüht sich, wieder Ordnung ins Leben zu bringen. Dem jüdischen Teil der Bevölkerung (und anderen Minderheiten) gegenüber funktioniert das nur teilweise. Überlebende und Geflüchtete, die in ihre alte Heimat zurückkehren, müssen ertragen, dass die Restitution von „arisierten“ Gütern nur zögerlich oder gar nicht vonstatten geht, dass Antisemitismus immer noch vorhanden ist und zuweilen offenen gelebt wird. Immer noch wenig bekannt ist bis heute, dass es gegen die Rückkehrenden in etlichen Fällen sogar zu Pogromen kommt.

Auch diejenigen die es schaffen, sich rechtzeitig vor den Nazis in Sicherheit zu bringen und ins Ausland zu flüchten, müssen mit der Tatsache leben, dass der Großteil ihrer Familienangehörigen ermordet wurde. Viele von ihnen tragen die Last ihrer Erlebnisse nach außen unbemerkt mit sich. Manche fragen sich, was sie tun können, um zu helfen. Andere haben quälende Schuldgefühle: Warum habe gerade ich überlebt? Oft blickt man einfach nach vorne, in ein besseres Leben. Vergangenes wird so weit wie möglich verdrängt und Traumata unbewusst an die eigenen Kinder weitergegeben, die ihrerseits weiterleiden.

Es vergeht oft viel Zeit, bis die nachfolgenden Generationen sich befreien können, indem sie über ihr Leid sprechen oder auf Spurensuche in die Vergangenheit ihrer Familiengeschichte gehen. Man reist in die Länder der Vorfahren, rekonstruiert Ereignisse, überwindet Ängste und Trauer.

Die Trauer der Eltern gehört zu den frühen Kindheitserinnerungen, die Lebensentwürfe prägt. Gleichzeitig wird gesehen, wie viel für einen Wiederaufbau geleistet wurde. Zuletzt gibt es dennoch immer mehr junge Israelis, die ihren neuen Lebensmittelpunkt in Deutschland oder Österreich wählen. Sie müssen sich der Diskussion stellen, inwieweit es akzeptabel sein kann, in die Länder der einstigen Täter zu ziehen.

Und nicht zuletzt sehen wir uns in Europa mit wachsendem Antisemitismus konfrontiert, dem es entschieden entgegenzutreten gilt. Auch die Auswirkungen zunehmender Xenophobie und Islamophobie lassen sich täglich beobachten. Politischer Populismus und existentielle Zwänge des Neoliberalismus schüren Ängste und fördern, wie seinerzeit, die Ausgrenzung von Minderheiten. Wir wollen darauf hinweisen, welche destruktiven Resultate diese Tendenzen haben und wie gefährlich sie für die Entwicklung unserer Gesellschaft sein können.

 

Bei all der komplexen Vielschichtigkeit des Themas um das "Leben danach" reduzieren wir uns auf Ausschnitte, auf Momentaufnahmen, nicht ohne die Bemühung, uns mit den präsentierten Filmen von unterschiedlichen Blickwinkeln anzunähern.

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